Umgang mit der Angst bei einer Verhandlung

Zeitdruck, eine hohe Erwartungshaltung, hohe Summen, beträchtliche Konsequenzen. All diese Merkmale können es bewirken, dass eine Verhandlung schwer zu führen sein wird, herausfordernd. Je schwieriger die Verhandlung, vor allem je beträchtlicher die wahrgenommenen Konsequenzen, umso größer die Angst zu scheitern.

Angst spielt eine immens wichtige Rolle bei Verhandlungen. Die Ängste, die Albträume des Verhandlungspartners zu durchschauen, gewährt uns einen Zugang zu den Entscheidungen, die er trifft. Wir können ihn folglich leichter beeinflussen.
Genauso wichtig sind allerdings die Ängste des Verhandlers selbst. Unsere eigenen Ängste. Denn diese beeinflussen vorrangig unsere eigenen Entscheidungen. Alles an Strategie und Taktik hilft nicht, wenn der Verhandler nicht in der Lage ist, seine eigenen Ängste zu verstehen, zu nutzen und zu überwinden.

An dieser Stelle hat die Verhandlungsführung viel gemein mit der Welt des Kampfsports. Unabhängig vom Thema der Angst haben die Verhandlungsführung und der Kampfsport eine primäre Gemeinsamkeit: Beide machen uns geistesgegenwärtig. Darüber hinaus aber kann der professionelle Verhandler die Art und Weise, wie ein professioneller Kampfsportler mit seiner Angst umgeht, als Modell nutzen, um mit seinen eigenen Ängsten zurechtzukommen.

Im Alltag sagen wir „Hab keine Angst“. Das ist oft gar nicht möglich. Die Frage ist nur: Wie gehen wir mit der Angst um? Wie wird die Angst gehandhabt, wenn sie einmal da ist?

Der Kampfsportler nutzt seine Ängste, um sich besser vorzubereiten. Es ist die Angst, die ihn dazu bewegt, an seinen Schwächen zu arbeiten, diese zu minimieren, zu eliminieren. Es ist die Gewissheit, dass der andere Kämpfer auch hart trainiert, die in die Sorge, also eine Angst, mündet, bereits bei dem Trainingswettbewerb hinten zu liegen. Diese Faktoren treiben den Sportler dazu, bereits bei der Vorbereitung an seine Grenzen zu gehen. Natürlich wird ein Profikämpfer nicht nur von seinen Ängsten getrieben, sondern auch von seinem Interesse, das begehrte Ziel, die Trophäe, das Siegesgefühl zu erlangen. Wichtig für uns ist allerdings im vorliegenden Kontext erst einmal die Art und Weise, wie der Sportler mit seinen Ängsten umgeht. Wie hierbei ganz klar zu sehen ist, werden Ängste in Energie umgewandelt und genutzt, um sich besser vorzubereiten. Wenn der Kämpfer allerdings einmal den Ring betritt, so existieren keine Ängste mehr für ihn. Er ignoriert sie, geistig.

Der Verhandler sollte auf dieselbe Art und Weise mit seinen Ängsten umgehen.
In der Vorbereitungsphase ist die Angst eine Energie. Wir nutzen diese, um uns besser vorzubereiten. So wie der Kampfsportler sollte der Verhandler Maßnahmen planen, um den Negativszenarien, die ihm seine Angst ausmalt, zu begegnen. Maßnahmen, die das Eintreten der Negativszenarien verhindern bzw. dessen Wahrscheinlichkeit verringern. Somit fließt die Energie der Angst in konkrete Aktionen hinein, die die vorhandenen Risiken minimieren.

Die Aktionen bzw. Maßnahmen müssen immer schriftlich festgehalten werden. Sie können ergänzt und erweitert werden. Darüber hinaus sollte der Verhandler jegliche gedankliche Beschäftigung mit den Negativszenarien unterlassen. Das heißt, die angstbehafteten Negativszenarien dienen nur in der Vorbereitungsphase als Zündstoff, um konkrete, risikominimierende Maßnahmen aufzusetzen. Dies geschieht analytisch in geplanten Zeiträumen und das Resultat wird mit Stift und Papier festgehalten bzw. heutzutage eben im PC. Ein ständiges Grübeln und ergebnisloses Nachdenken über die Negativszenarien ist nicht nur nutzlos, sondern auch schädlich, weshalb man dies unterlassen sollte.

Wenn der Verhandler sich einmal in den Verhandlungsraum hineinbegibt, sei es für ein anstehendes Vis-a-vis-Gespräch oder ein Telefonat, sollte er wie der Kampfsportler angstbehaftete Gedankenstrukturen mental beiseitelassen. Sofern sie dennoch auftauchen, sollte er sie ignorieren. Die innere Grundhaltung muss stets positiv eingestimmt werden.

Somit wird die Angst bei der Verhandlung in der Vorbereitungsphase als Energie genutzt und in der Umsetzungsphase bewusst ausgeschlossen, ignoriert.
Es wäre sicherlich denkbar, bei der Durchführung der Verhandlung mit neuen angstbehafteten Aspekten konfrontiert zu werden. Wichtig ist es in solchen Momenten, nicht in die Knie zu gehen, das heißt konkret, keine Zugeständnisse oder Zusagen zu machen, obwohl man innerlich von der Angst geplagt wird. Alles andere kann im Nachgang zum Termin überschaut, analysiert und abgewogen werden. Die Verhandlungsvorbereitung, die ein revolvierender Prozess ist, kann dann ebenso im Nachgang angepasst werden.

Soweit zum Thema des Umganges mit bewussten Ängsten, das heißt, mit Ängsten, die wir geistig bewusst wahrnehmen. Schwieriger ist die Handhabung von unbewussten Ängsten. Wie das Attribut „unbewusst“ besagt, können wir das Vorhandensein solcher Ängste nicht wahrnehmen. Wir spüren nur die Wirkung.

In gewissen Konstellationen ist man plötzlich blockiert. Mit gewissen Charakteren gerät man immer wieder in Konflikt. Beim Tauziehen um gewisse Objekte zieht man immer wieder den Kürzeren. Warum das so ist, weiß der Verhandler nicht. Er merkt nur, dass dem so ist.

In solchen Fällen hat man grob betrachtet zwei Möglichkeiten. Entweder konfrontiert man sich mit der in Frage stehenden Konstellation, nach der passenden Vorbereitung, so häufig, dass durch die wiederholt aktive Konfrontation mit der Situation die Ängste überwunden werden, oder es sollte ein Experte aufgesucht werden, ein Psychologe, der mit der geeigneten Methode den Verhandler auf dem Weg des Verstehens und der Überwindung der besagten Ängste unterstützt.

Gute Verhandler sind Personen, die mit eigenen Ängsten passend umgehen können. Entweder haben sie diese Fähigkeit in die Wiege gelegt bekommen, durch richtige Konditionierung von Bezugspersonen, oder sie müssen sie sich mühevoll erarbeiten. Eine Alternative hierzu gibt es nicht.

  • Die Angst ist eine Energie, die bei der Vorbereitung einer Verhandlung genutzt werden kann.
  • Die Angst wird in der Vorbereitungsphase genutzt und in der Umsetzungsphase ignoriert.
  • Alles an Strategie und Taktik hilft nicht, wenn der Verhandler nicht in der Lage ist, mit der eigenen Angst passend umzugehen.

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